Aktuelle Einschätzung Finanzmärkte

Die Schweizerische Nationalbank hat in ihrer letzten Sitzung, anders als von vielen Marktteilnehmern erwartet, den Leitzins unverändert bei 1.75% belassen. Ist dies nur eine Zinspause, d.h. stehen weitere Zinserhöhungen ins Haus oder ist damit der Zinsgipfel erreicht?

 

Nach zum Teil deutlichen Kursgewinnen im ersten Semester kam es an den meisten Märkten zu einer Umkehr: Entsprechend war das zurückliegende dritte Quartal für die Aktienmärkte wenig erfreulich. Die Abgaben summierten sich dabei in der Schweiz auf ca. 3%. Seit Jahresbeginn notieren die Schweizer Aktien im Durchschnitt aber immer noch mit ungefähr 5% im Plus. Bezogen auf den Weltaktienindex MSCI World beträgt das Minus im dritten Quartal ebenfalls 3%. Dieser Index notiert derweil noch fast 12% höher als zu Jahresbeginn.

 

Für das anspruchsvolle Marktumfeld können mehrere Gründe ins Feld geführt werden. Am bedeutsamsten sind die Sorgen vor einer hartnäckigeren Inflation, welche die Notenbanken länger zu hohen Leitzinsen zwingen könnten, als sich das die Finanzmärkte wünschen. Wir verweisen dabei auf die beiden folgenden Abschnitte. Dazu trug auch der deutliche Anstieg des Ölpreises in den letzten Wochen bei. Das weiterhin sehr hoch ausfallende Haushaltsdefizit in den USA löste zudem eine Aufwärtsentwicklung bei den Renditen für Staatsanleihen aus. Dieser Renditeanstieg stellt für Aktien ein grosses Hindernis dar, was sich schon im Jahr 2022 gezeigt hatte. Auch die kurzfristigen konjunkturellen Perspektiven in China und Europa fallen enttäuschend aus.

 

Zinspause oder Zinsgipfel?

 

Niemand kennt die Zukunft. Trotzdem ist die diese Fragestellung für viele Immobilieninvestoren, welche eine kurzfristige Finanzierung offen haben, zentral. Denn Leitzinsentscheidungen der Nationalbank schlagen unmittelbar auf ihre Finanzierungskosten durch. Wichtig ist es darum, die Zinsentwicklung aktiv zu beobachten und in Szenarien zu denken.

 

Was spricht für das Szenario «Zinsgipfel»?

 

Insgesamt dürfte sich die Industrie auch in den nächsten Monaten schwach entwickeln. Positive Impulse können dagegen weiterhin vom Dienstleistungssektor erwartet werden. Er profitiert von starken Ausgaben des Konsums und der nach wie vor soliden Situation am Arbeitsmarkt. Die Inflation dürfte im Trend allmählich weiter zurückgehen. Die Verlangsamung des Wachstums spricht auch für einen Rückgang der Swap-Sätze in den nächsten 12 Monaten. Alle diese Gründe machen es wahrscheinlich, dass der Höhepunkt im aktuellen Zinszyklus bereits erreicht ist. Andererseits aber sind in nächster Zeit auch keine Zinssenkungen zu erwarten.

 

Was spricht für das Szenario «Zinspause»?

 

Falls sich auf dem Arbeitsmarkt deutliche Zweitrundeneffekte ergeben sollten, welche den zuletzt gesunkenen Inflationsraten neue Nahrung geben würden, würde sich die Nationalbank genötigt sehen, weitere Zinsanhebungen vorzunehmen.

 

Wir messen dem ersten Szenario «Zinsgipfel» eine grössere Wahrscheinlichkeit bei.

 

05.10.2023

 

Quellen: Björn Eberhardt; eigene Untersuchungen

 

Philipp Jäggle

 

Geschäftsführer Refinum AG. Zuvor in verschiedenen Funktionen bei Banken in Zürich (UBS, Credit Suisse, ZKB) sowie einer Finanzierungsboutique. Studium der Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen (HSG) sowie CAS Corporate Banking & Finance.

 

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