Aktuelle Einschätzung zum Thema Inflation und Zinsen

Der Weltwirtschaft ist ein positiver Start ins neue Jahr gelungen. Die Rezessionsängste haben abgenommen, hingegen haben sich die Sorgen vor einer weltweiten Bankenkrise akzentuiert. Die Inflation ist mancherorts immer noch hoch und legt eine vorderhand weiter restriktive Geldpolitik nahe. Mittelfristig rechnen wir aber mit einem Rückgang der Inflation.

 

Die Furcht vor einer tiefen Rezession, beispielsweise in der Eurozone und in den USA hat sich verflüchtigt. Es ist aber anzunehmen, dass die globale Hochzinspolitik der Notenbanken bremsende Effekte auf das Wirtschaftswachstum haben wird.

 

Die Inflation war in der Eurozone in der Spitze zweistellig im Jahresvergleich (10.0%), reduzierte sich aber auf zuletzt 8.0%; Zum Vergleich: Zu Zeiten des Corona-Lockdowns (2020) notierte dieser Index bei 0.0%.

 

Grossen Anteil am Rückgang der letzten Monate hat der starke Rückgang der Energiepreise, welcher in den Medien nicht gross thematisiert wird. Dieser starke Rückgang ist aber aus Sicht der meisten Wirtschaftsteilnehmer (Verbraucher und Industrie) grundsätzlich sehr positiv zu werten. Seit den im Spätsommer 2022 erreichten Extremständen haben beispielsweise die Kurse für wichtige Strom- und Gaskontrakte in Deutschland um etwa 85% nachgegeben. Sie notieren aber noch immer über dem langfristigen Durchschnitt der 2010-er Jahre.

 

Entsprechend weniger gesunken ist die Kernrate der Inflation (ohne die erwähnten Energiepreise), weshalb die Notenbanken aktuell signalisieren, dass ihr Fokus weiterhin in der Inflationsbekämpfung liegt.

 

Wir gehen trotzdem davon aus, dass sich die Inflation in den nächsten Monaten weiter rückläufig entwickeln wird. Gefährlichen potenziellen Zweitrundeneffekten, welche sich aus den stabilen Arbeitsmärkten in Europa und den USA ergeben könnten stehen klar inflationsdämpfende Effekte aus der Wiederherstellung internationaler Lieferketten (Stichwort Öffnung China) gegenüber.

 

Für die in dieser Woche anstehenden Zinsentscheide wird – im Falle der europäischen Zentralbank EZB – eine Anhebung des Leitzinses von 3.5% auf 4.0% erwartet und von 5.0% auf 5.25% im Fall der US-Notenbank Fed. Ein Blick auf die langjährige Entwicklung zeigt, dass damit ungefähr die Höchststände der Zyklen vor der Finanzkrise aus dem Jahr 2008 erreicht worden sind (was natürlich ohne Bedeutung wäre, sollte die Inflation weiter hartnäckig hoch bleiben).

 

Anders als die Fed erhöhte die EZB den Leitzins im zurückliegenden Jahrzehnt kein einziges Mal. Die US-Zentralbank erhöhte ab dem Jahr 2014 in der Spitze bis 2.5% bevor der Leitzins wegen der Corona-Pandemie abrupt wieder praktisch auf Null gesenkt wurde.

 

02.05.2023

 

Quellen: Brian Mandt; zerohedge.com; eigene Untersuchungen

 

Philipp Jäggle

 

Geschäftsführer Refinum AG. Zuvor in verschiedenen Funktionen bei Banken in Zürich (UBS, Credit Suisse, ZKB) sowie einer Finanzierungsboutique. Studium der Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen (HSG) sowie CAS Corporate Banking & Finance.

 

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